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Der digitalen Kunst – ob es sich nun um visuelle oder akustische handelt – wohnt ein bemerkenswerter Anachronismus inne. Auf der einen Seite muss sie als Sinnsystem verstanden werden, als Feld der Erprobung von alternativen Verweisungszusammenhängen, die sich der Erwartbarkeit der alltäglichen Kommunikation entziehen. Sie ist also geradezu gekennzeichnet durch ihre Undeterminiertheit, ihre Unberechenbarkeit und durch das kommunikative Risiko, das ihr aus der Sicht 'gewöhnlicher' Sprachmonaden innewohnt. Die Ästhetik trug diesen Charakteristika insofern Rechnung, als man Kunst kurzerhand zur autonomen Erkenntnisform erhob und so ihrer gesellschaftlichen Autonomie den nötigen Raum zubilligte.
Auf der anderen Seite befindet sich das Digitale gerade auf der anderen Seite des Grabens zwischen Aristotelischem und Galileischen – oder man könnte auch sagen: Laplaceschen. Digitale Systeme sind – man verzeihe den Pleonasmus – zweiwertige, hochgradig determinierte Systeme, die sich der Berechenbarkeit höchstens dann entziehen, wenn die eigene Komplexität für sich selbst nicht mehr reicht. Was – so könnte man fragen – leistet digitale Kunst auf dieser, der von sich aus berechneten und berechnenden Seite? Dass sich verwendete Medien keineswegs neutral verhalten und ihre Erzeugnisse hochgradig vorbestimmen, wirkt heute ebenso banal wie die Erkenntnis, dass technischen Systemen ganze Weltbilder innewohnen. Wie also – so könnte die Frage lauten – geht die sich selbst als 'digital' ausweisende Kunst mit dieser Seite ihrer eigenen Weltgebundenheit um? Beim Versuch der Beantwortung dieser Frage kommt man unweigerlich zum Kern des Aussagensystems reMI.
Auf den Aspekt der geplanten Sinnimplosion in den Stücken von reMI wurde bereits in anderen Texten hingewiesen und wenngleich 'Implosion' nicht mit völliger Exklusion gleichzusetzen ist, erscheint dieser Gedankengang nachvollziehbar. reMI übertragen diesen Ansatz jedoch auch auf die Seite der verwendeten Medien, was primär an den Stichworten 'Generativität' und 'Systemüberschreitung' festgemacht werden kann: 'Systemüberschreitung' deshalb, weil die verwendeten Produktionsmaschinen von reMI nicht mehr wie gewöhnliche, lediglich technisch hochavancierte Werkzeuge verwendet werden. Der Bereich des von reMI verwendeten Materials beginnt dort, wo die Maschinen ihren Dienst versagen, wo die Maschinen so lange gegen ihre Bestimmung verwendet werden, bis vollkommen neue Funktionssysteme emergieren. Dieser künstlerische Gestus geht weit über das gewohnte 'Hacken' von technischen Medien hinaus. reMI erproben nicht, was Maschinen über die Grenzen ihrer Handbücher hinaus zu leisten imstande sind, reMI erproben, was Maschinen produzieren, wenn sie gemäß ihrer eigenen Axiome eigentlich bereits zu produzieren aufgehört haben. Mit anderen Worten: die Kunst von reMI stellt einen Versuch dar, Automaten über die Demarkationslinie des von ihnen Erwartbaren zu beanspruchen und zu sehen, was dann passiert.
In letzter Zeit wurde dieser Ansatz zusätzlich durch den Aspekt der Generativität ergänzt: Werden Maschinen von externen Usern bis zu den Grenzen des Erwartbaren provoziert, verschiebt das die Determiniertheit des Outputs lediglich auf eine andere, höhere Ebene. 'Generativität' jedoch bedeutet, dass sich Automaten aus sich selbst heraus bis zu diesen Grenzen treiben, dass Maschinen absichtlich fehlerbehaftet alleine gelassen werden und die Beobachter ihrem Scheitern zusehen können. Mit diesem Vorgehen verlassen reMI den Status des 'Superusers' und setzen autologische, gewissermaßen nach innen gerichtete Automaten, die nichts mehr mit Werkzeugen im gewöhnlichen Wortsinn gemein haben, in die Welt. Aus dieser Perspektive erscheinen die Werke von reMI wie Sichtfenster in einen Bereich, der die selbstständige, also generative Überschreitung von Sinngrenzen auf sowohl kommunikativer als auch technologischer Ebene zum Inhalt hat.
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