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Im Dazwischen. Zu "Vincit Veritas"

© Thomas Ballhausen 2001

"Das ist der Vorteil, wenn man die Maske ablegen kann." (Fernando Pessoa)

Zu Beginn steht eine fast bedrohliche Stille, ein puristischer Rahmen, der sich zur fürsorglichen Belagerung auswächst. Doch die ungewohnte Umarmung in die man zu stürzen droht ist eine Finte, eine Störung. Auf dieser ersten Ver-Störung baut die Thematisierung des Materials auf, der - über erstarrte Bilder - Verweise auf Ruinen, die scheinbar einzigen Reste, folgen. Mit der Frage, was alles in eine Störung umgewandelt werden könnte, kehren reMI zu grundsätzlichen Überlegungen früherer Arbeiten zurück und vereinen diese Gedanken mit Ansätzen jüngeren Datums. Ihrem Titel gemäß widmen sie sich der Fragwürdigkeit der Wahrheit. Diese ist für reMI nur im Abstrakten auszumachen; die allgegenwärtigen Masken der Affirmation werden abgetragen, die Differenz der abgerungenen Bestätigung zeigt sich im Unterschied zwischen Maske und eigentlichem Gesicht.

Die allzu leicht zu erringende Wahrheit wird als eine dieser Masken erkannt und begonnen zu dekonstruieren; darauf folgt aber der ganz und gar gegensätzlichen Vorgang der Überlagerung. Schichten von Farben werden aufgetragen, das Spiel der Codierungen und Verschiebungen auf Kosten der, immer wieder durchschimmernden, Schrift weitergetrieben. Doch wie auch in anderen Werken von reMI werden so erneut falsche Fährten gelegt. Die herausgelösten Textbausteine werden auf ihre Tauglichkeit in neuen Kontexten hin überprüft. Die klare Ablehnung eines Inhalts bringt ein Hinterfragen der Wahrheit mit sich, und führt im künstlerischen Prozess an die Grenzlinien subjektiver Begriffe von Welt und Wirklichkeit. So wird die darauffolgende Auflösung der Strukturen zur nonkonformistischen Strategie der Abwehr; anhand der eingefügten Bruchlinien wird die Unmöglichkeit und Dysfunktion des Erzählens unter den gegebenen Umständen problematisiert.
Die damit angesprochenen Übergänge sind stärker gekennzeichnet; wie Wunden scheinen sie in diesem Aufeinanderprallen von Bildern und Tönen: das Unsichtbare und das Unhörbare dominieren den unaufhaltsamen Vorgang des Löschens. Die Gleichwertigkeit im Verhältnis von Bild und Ton wird hierbei deutlich formuliert; scheinen sie für den Rezipienten in dieser Konstellation auch stärker auseinander zu klaffen als bisher. Die Übersteigerung und Überlagerung der Töne und Bilder führt zu einer Verdichtung der Zwischenräume, in denen die Möglichkeit der Formulierung eines eigenen, widersetzlichen Prinzips als Ergebnis zurückbleibt; die Ruinen sind somit nicht die einzigen Reste. Daß ein erstarrtes Bild zuletzt steht, das einen verwirrenden Blick auf das Gesicht unter der Maske freigibt, verstört und erschreckt: somit ist auch der Zuschauer in die Möglichkeiten der Störung miteinbezogen und seiner eigenen Maske, zumindest kurzfristig, beraubt.