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"Mirabilia"

© Thomas Ballhausen 2001

Das Wundersame, jenseits der Wunder, läßt sich nicht in der Ruine finden, die wir mit unseren Vorstellungen, Wünschen und Projektionen überlagert haben. Unter den Schichten des Erwünschten und Kontrollierten finden wir uns in einem Tempel wieder, der weder Götter noch Götzen - oder gar Gnade - kennt.
Dieser leere Ort ist jeder Heiligkeit entledigt; nicht zuletzt deshalb ist auch der Besucher mehr der beschworene Geist, als der beschwörende Zauberer. Wider das Traditionalistische, das Museale und Erzählende sieht man sich in einen Raum jenseits einer flimmernden Differenz katapultiert, der keinen Stillstand bietet. Der schweigende Mensch prallt auf die schreienden Wände, die eine regelrechte Revue privater Dämonen in aller Öffentlichkeit vorführen.
Von jedem Pomp befreit, doch sehr wohl mit Inventar versehen, machen uns die Bilder blackend, wehren sich gegen die schleichende Demenz des fortschreitenden Mnemozids. Hier ist es unmöglich, über einen Akt der Buße Vergebung zu erfahren und der Verantwortung für die eigenen Taten enthoben zu werden. In diesem Zurückgeworfensein auf das eigene Subjekt ist auch eine soziale Komponente auszumachen: der Versuch der permanenten Kollektivierung ein neuzeitliches Ich entgegenzusetzen, das von Montaigne mühsam erschrieben wurde. Es ist die andauernde Bewegung des Übergangs, die Fortschreibung anstatt der berichtigenden Löschung.
           Der ohnehin vorhandene Stillstand findet sich, ebenso wie die einzigen Inhalte, im Besucher selbst; dieser führt uns in den Tempel hinein, trägt uns wieder hinaus. Doch wir erfuhren keine Absolution, wurden nicht Teil einer rituellen Handlung. Wir sehen uns zwar ein wenig befreit, finden uns aber zugleich im Erdulden eines wütenden Geschicks fixiert; es scheint, als würde die See von Plagen über uns zusammenschlagen.
Nichts wurde uns je gesagt.