------------ III zurück zur bio III return to bio III terug naar bio III ------------
------------ III zurück zu texte III ------------





Über gute Bilder
Text von Karl Mittlinger

Es ist nicht leicht, einen Beitrag neben den Essay von Meister Lojen zu stellen, in der Kenntnis seiner Einführung in diese Bilder von Michael Pinter kann ich nur den laienhaften Versuch machen, meinen eigenen Zugang zu diesen Bildern zu beschreiben.
Am Beispiel der Farbe lässt sich wohl besonders deutlich darstellen, was in der Begegnung mit Kunst insgesamt passiert: erst im Kopf, durch unsere Sinnesorgane vermittelt, entstehen die Farben, in der Außenwelt sind sie so nicht vorhanden. So gewinnen Pinselstriche auf einer Leinwand erst durch unsere Deutung für uns Be-deutung.
Dass wir uns das Farbensehen im Laufe der Evolution angeeignet haben war kein Zufall, sagt uns die evolutionäre Erkenntnistheorie. Es muss für uns Menschen ein Überlebensvorteil gewesen sein, Farben zu sehen. Farben haben einen ungeheuren Einfluss auf unsere psychische Verfassung. Ja, verkürzt gesagt, Farbe ist Leben. Farbe wird uns aber erst durch den Kontrast und die Mehrfärbigkeit bewusst, nichts ist eintöniger als eine Ansammlung von...z.B. Kardinälen.
Damit sind wir beim zweiten Gestaltungsprinzip der KünstlerInnen, der Form. Sie komponieren dichten kreieren mit ihren entsprechenden Mitteln ihre Werke. Kunst ist in diesem Beispiel das Anzapfen des Ozeans des Unbewussten und das Einleiten des Stromes in von ihnen vorgegebene Flussbetten. Aber alle Kunst ist letztlich Geschichtenerzählen: aus unserem Unbewussten hervorgeholt, durch mehr oder weniger deutliche stilistische Formungen verändert, erzählt jeder Roman, jede Plastik, jede Sonate, jeder Tanz, jedes Bild... ein Stück jener unendlichen Geschichte, die in unseren Köpfen gespeichert ist. Diese Einleitung mag in einem Beitrag zu einem Katalog, in dem auf den ersten Blick vor allem abstrakte Kompositionen zu sehen sind, überraschen.
Michael Pinter baut seine Bilder mit kräftigen, dynamischen Pinselstrichen, sein Gestus ist selbstbewusst, raumgreifend; locker erhebt er sich scheinbar in die dritte Dimension. Seine Kompositionen, auch diese lange vergessene Funktion der Kunst darf wieder einmal eingefordert werden, erfreuen das Auge, weil es viel zu entdecken gibt in diesen Bildern. Wer allerdings nach gegenständlichen Abbildungen der Wirklichkeit sucht, ist wohl auf dem Holzweg. Wer die Bilder aber abzugrasen versteht, vielleicht wie eine Ziege dort ein Kräutlein und hier ein Gräslein rupft, wird bald der Faszination erliegen, den Bildaufbau nachvollziehen zu wollen und wird über die überraschende Vielfalt seiner kompositorischen Möglichkeiten, sich mit dem breiten Pinsel, der ja eher fürs Grobe gedacht ist, auszudrücken, ins Staunen kommen. Seine Bilder sind aber keine seelischen Stimmungsbilder. Ein weiteres, oft gehegtes Missverständnis bei abstrakter Kunst: wenn es schon nichts Gegenständliches zu entdecken gibt, soll das Bild wenigstens 'anmuten', soll aktivieren, positiv sein oder im postmodernen Fall eine Wohnung behübschen und von aufgeschlossenen BewohnerInnen Zeugnis geben. Kunst in den Dienst genommen.
Bilder wollen angeschaut werden. Immer und immer wieder. Bilder sind wie Menschen: erst in der Begegnung mit Menschen kommen sie zu sich. An sich sind sie nichts, gibt es sie nicht. Und dieser Prozess ist wechselseitig: durch das Anschauen kommen die Menschen zu sich. Erfahren sich selbst in der Konfrontation. Gute Bilder machen uns gut. Wenn es gute Bilder sind. Hübsche Bilder sind hübsch. Sonst nichts. Es geht um die Wahrheit in den Bildern. Die alten Griechen sprachen von ka'qarsiV von der Reinigung durch die Konfrontation mit der transzendenten Macht. Dieser Katalog zeigt neben den Ölbildern auch eine Reihe von Tuschzeichnungen auf bedrucktem Papier. Es wäre zu einfach, von Recycling alten Papiers zu sprechen, es ist ein vereinnahmender Akt, ein aggressiver auch, in die Welt der Zeichen einzudringen und sie in einen neuen Zusammenhang zu setzen. Die Geschichten werden durch neue überlagert, fratzenhafte Gestalten, dämonische Wesen entsteigen den vergilbten Seiten, kafkäske Ängste werden wach. Picasso, Kubin, Brus oder auch Fronius, blitzen in Zitaten und Kürzeln auf. Die Welt ist nicht heil, was ebenmässig in die Zeilen der Bücher gebannt ist, wird in den Köpfen wach. Pinter übersetzt es in sein Medium und lässt kein Darüberblättern zu. Manchmal bedarf es dieser chirugischen Eingriffe um aufzurütteln.
Michael Pinter ist auf dem Weg, ein Großer zu werden. Weil er nicht mit dem Publikum liebäugelt, sondern seine Bilder ohne Zugeständnis an den Zeitgeist malt - oder sich die Werke der Vorfahren aneignet und sie dadurch zun neuem Leben erweckt, auch wenn er die gebannten Dämonen mit der Tuschfeder zum Leben erweckt und die Büchse der Pandora öffnet. Auch das kann der Anstich des angesprochenen Ozeans sein, der durch hohe Dämme gestaut ist, um die braven BürgerInnen vor der Konfrontation mit der Wirklichkeit zu schützen.
Wir freuen uns, dass wir diese Bilder im Bildungshaus Mariatrost präsentieren können. Es steht dem 'Offenen Forum für Weiterbildung und Dialog der Diöezese Graz-Seckau' gut an, diese Bilder für eine Weile beherbergen und mit ihnen leben zu dürfen.